Wer seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt, sollte Testament, Vorsorgevollmacht oder Patientenverfügung entsprechend anpassen. So kann der letzte Wille auch tatsächlich wie gewünscht umgesetzt werden. – von Barbara Brandstetter
Im vergangenen Jahr haben rund 1,3 Millionen Menschen Deutschland verlassen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren darunter knapp 270.000 deutsche Staatsbürger. Die Gründe dafür sind vielfältig: bessere Karrierechancen im Ausland, niedrigere Steuern und Abgaben oder der Wunsch, den Ruhestand unter Palmen zu verbringen. Wer seinen Lebensmittelpunkt ins Ausland verlegt, sollte sich jedoch frühzeitig mit den rechtlichen Folgen befassen – insbesondere auch für Erbschaften, Schenkungen, Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen.
Seit Inkrafttreten der Europäischen Erbrechtsverordnung 2015 gilt in den meisten Staaten der europäischen Union – ausgenommen Irland und Dänemark – für Erbschaften eine neue Regel. Maßgeblich für das anwendbare Erbrecht ist seitdem nicht mehr die Staatsangehörigkeit, sondern der „gewöhnliche Aufenthaltsort“ des Verstorbenen. „Das ist in der Regel der Ort, an dem der Betroffene die meiste Zeit verbringt, wo er krankenversichert ist oder etwa eine Mitgliedschaft im Golfklub hat“, sagt der Konstanzer Rechtsanwalt Elmar Uricher.
Diese Verordnung hat weitreichende Konsequenzen, da viele Auswanderer nicht bedenken, dass in anderen Ländern zum Teil völlig andere Regelungen für Erbschaften und Schenkungen gelten. So gibt es in den Provinzen von Kanada oder den Staaten der USA keinen Pflichtteilsanspruch für Kinder oder Ehepartner. Länder wie die Tschechische Republik, Spanien und Portugal kennen das Erbrecht, zu dem das in Deutschland beliebte Berliner Testament gehört – bei dem sich Ehepartner gegenseitig als Alleinerben einsetzen –, nicht. „Gerade wenn bereits Vermögen an Kinder in Deutschland übertragen wurde, ist zu prüfen, ob Anrechnungsregelungen oder ein Pflichtteilsverzicht nach deutschem Recht auch im Ausland berücksichtigt werden“, sagt Uricher.
Wer seinen Nachlass rechtssicher gestalten möchte, sollte im Testament ausdrücklich festhalten, welches Erbrecht angewendet werden soll. „Damit kann beispielsweise ein Erblasser, der seinen letzten Willen in Deutschland verfasst hat, im Alter aber dauerhaft in Frankreich lebt, sicherstellen, dass im Todesfall deutsches Erbrecht zum Zuge kommt“, sagt Uricher.
Für die Erbschaftsteuer gilt diese Wahlmöglichkeit allerdings nicht. Bundesbürger bleiben nach dem Wegzug noch fünf Jahre lang in Deutschland erbschaftsteuerpflichtig. Erst wenn sowohl Erblasser als auch Erbe keinen Wohnsitz mehr in Deutschland haben, endet die Steuerpflicht nach Ablauf der fünf Jahre. „Hält der Erblasser aber noch Immobilien in Deutschland, findet auch nach fünf Jahren noch ein Besteuerungsrecht in Deutschland statt“, sagt Uricher.
Spanien
Rechtsanwalt Uricher verdeutlicht dies an einem Beispiel: Erblasser und Erbe leben in Deutschland. Zum Nachlass gehört eine Immobilie in Spanien. In diesem Fall verlangt nicht nur das deutsche Finanzamt Erbschaftsteuer, sondern auch das spanische. Ein Doppelbesteuerungsabkommen bezüglich der Erbschaftsteuer existiert nicht. „Es gibt im deutschen Erbschaftsteuerrecht lediglich eine Anrechnungsmöglichkeit der in Spanien bezahlten Erbschaftsteuer“, sagt Uricher. Für die Erben kann das teuer werden. Wer eine solche Doppelbesteuerung vermeiden möchte, sollte daher überlegen, sämtliche Vermögensverbindungen nach Deutschland aufzugeben. Weniger Erbschaftsteuer fällt jedoch nur dann an, wenn sowohl Erblasser als auch Erbe seit mehr als fünf Jahren keinen Wohnsitz mehr in Deutschland haben und auch kein Vermögen hierzulande hinterlassen wird. Nur dann erlischt die Steuerpflicht in Deutschland.
Wer in Deutschland eine Vorsorgevollmacht erstellt hat, muss prüfen, ob diese den Vorgaben des spanischen Rechts entspricht. Gleiches gilt für die Patientenvollmacht. „Empfehlenswert ist, die Unterlagen für Deutschland und Spanien gesondert zu erstellen“, rät Uricher. Dann könnten Bevollmächtigte sicher sein, im Ernstfall handlungsfähig zu sein.
„Bevor ein deutscher Staatsbürger den Wohnsitz ins Ausland verlegt, muss er dringend beachten, dass der deutsche Staat den Wegzug besteuern kann“, sagt Uricher. Verlegt etwa der Gesellschafter einer GmbH seinen Wohnsitz in die Schweiz, muss er damit rechnen, dass der Wegzug wie eine Veräußerung seiner Geschäftsanteile besteuert wird, auch wenn er weiterhin Eigentümer bleibt. „Es wäre daher zu empfehlen, vor dem Wegzug zu prüfen, wie sich eine solche Besteuerung verhindern lässt“, rät Uricher.
Tschechische Republik
Einige Bundesbürger zieht es in die Tschechische Republik – insbesondere im Alter, da Pflegeheime dort deutlich günstiger sind als in Deutschland. „Grundsätzlich gilt ein in Deutschland verfasstes Testament weiterhin“, sagt Ernst Giese, Rechtsanwalt von Giese & Partner in Prag. Allerdings gibt es in der Tschechischen Republik – anders als in Deutschland – kein gesetzlich vorgesehenes gemeinschaftliches Testament. Dieses wird in der Tschechischen Republik nicht anerkannt. Rechtsanwalt Giese rät daher, ein deutsches Testament an das tschechische Recht anzupassen.
Im Todesfall beauftragt das zuständige Gericht einen Notar mit der Abwicklung des Nachlasses. „Die Notare prüfen die letzten Verfügungen des Erblassers, stellen die Erben und den Nachlass fest und auf Antrag den Erbschein aus“, sagt der Prager Rechtsanwalt Giese. Zudem erstellen sie ein Nachlassverzeichnis, in dem sämtliche Vermögenswerte aufgeführt sind. „Sinnvoll ist jedoch auch, einen Nachlassverwalter zu bestimmen, der den Notar bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses unterstützen kann – vor allem, wenn der Erblasser Immobilien und Vermögen in weiteren Ländern besitzt“, rät Giese. Denn ein vollständiges Nachlassverzeichnis ist unerlässlich, um das Vermögen reibungslos an die Erben verteilen zu können, insbesondere auch von Konten in Drittstaaten.
Für Vorsorgevollmachten gelten ebenfalls besondere Anforderungen. Diese sollten notariell beglaubigt sein. „Zudem muss eine internationale Beglaubigung nach Haager Übereinkommen auf der Vorsorgevollmacht angebracht werden, um deren Echtheit in der Tschechischen Republik zu bestätigen“, sagt Giese. In der Tschechischen Republik fällt weder Erbschaft- noch Schenkungsteuer an: „Insofern ist zu überlegen, nach Ablauf der Frist von fünf Jahren Schenkungen hinsichtlich des tschechischen Vermögens an Kinder vorzunehmen, soweit diese nicht ihren Wohnsitz in Deutschland haben“, sagt Giese. Sollte dies jedoch der Fall sein, greift das deutsche Erbschaftsteuerrecht.
Namibia
Wenn ein Erblasser seinen Wohnsitz außerhalb der Europäischen Union hat, wird die Rechtslage rasch komplex. „Dann gilt es zu prüfen, ob das Erbrecht des jeweiligen Staates das deutsche Erbrecht anerkennt oder seinem nationalen Erbrecht Vorrang gewährt“, sagt Uricher. In vielen Fällen hat das eigene nationale Recht Vorrang. Es gibt aber auch Rückverweisungen, bei denen dann das nationale Recht des Erblassers gilt.
„Wenn ein deutscher Staatsbürger in Namibia verstirbt, richtet sich die Erbfolge grundsätzlich nach dem namibischen Recht, sofern der Verstorbene seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort hatte“, sagt Rechtsanwalt Ulrich Etzold von der Kanzlei Etzold-Duvenhage in Namibia. Dies gilt, sofern der Verstorbene in seinem Testament keine Rechtswahl getroffen hat. Liegt kein Testament vor, wird der Nachlass nach der „Intestate Succession Ordinance“ von 1946 verteilt. Diese bestimmt die gesetzliche Erbfolge, nach der das Vermögen auf den überlebenden Ehegatten, dessen Kinder, die Eltern oder Geschwister übergeht.
In Namibia sind die rechtlichen Grundlagen von Erbschaften nicht alle gesetzlich geregelt. „Diese werden teilweise aus dem Gewohnheitsrecht abgeleitet“, sagt Rechtsanwalt Etzold. Der Nachlass wird dabei als Sondervermögen einem Verwalter zugewiesen. Dieser wird vom Gericht bestellt, tilgt offene Forderungen, erstellt die notwendigen Steuererklärungen und ermittelt die Erben. Abschließend legt er eine Abschlussrechnung sowie einen Plan vor, wie das Erbe zu verteilen ist.
Anders als in Deutschland kennt Namibia keinen Pflichtteilsanspruch. Der Erbe kann demnach frei entscheiden, wer sein Vermögen einmal erben soll. „Ausgenommen sind lediglich minderjährige Kinder und der überlebende Ehegatte“, sagt Etzold. Diese können einen Unterhaltsanspruch gegen die Erbmasse geltend machen. Auch die Formvorschriften für Testamente unterscheiden sich: Während in Deutschland das Testament handschriftlich verfasst werden muss, sind in Namibia auch getippte und ausgedruckte Fassungen gültig.
Wie die Tschechische Republik erhebt Namibia keine Erbschaftsteuer, auch Immobilienübertragungen sind gebührenfrei. Hat der Erblasser jedoch seinen Wohnsitz in Deutschland, unterliegt das internationale Vermögen der deutschen Erbschaftsteuer. Für unbewegliches Vermögen wie Immobilien gilt das Recht des Staates, in dem sie sich befinden. „Deutsches Recht für Immobilien in Deutschland, namibisches Recht für Immobilien in Namibia“, sagt Etzold. Etzold rät daher, für Vermögenswerte in Namibia ein separates Testament zu verfassen.
In Namibia gibt es keine Vorsorgevollmacht. „Stattdessen kann eine Generalvollmacht erstellt werden, um eine Person zu bevollmächtigen, in ihrem Namen zu handeln“, sagt Etzold. Patientenverfügungen werden rechtlich nicht anerkannt, gelten jedoch als Richtlinie für ärztliche Entscheidungen. General- und Spezialvollmachten erlöschen mit dem Tod des Vollmachtgebers. „Es ist daher ratsam, im Testament einen Nachlassverwalter zu benennen, um sicherzustellen, dass eine Vertrauensperson unmittelbar nach dem Tod handlungsfähig wird“, sagt Etzold.
Dieser Artikel erschien am Samstag, 18. Oktober 2025 in der Frankfurter Allgemeine Zeitung.